Gedenkstätten und Gedenkkultur

Mit zahlreichen Gedenktafeln, Denkmalen, Ausstellungen und Dokumentationsstätten wird in Hamburg heute an die jüdischen Opfer nationalsozialistischer Verfolgung erinnert. Die ersten Mahnmale entstanden schon in den frühen Nachkriegsjahren, z. B. das 1949 errichtete Mahnmal für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung auf dem Friedhof Ohlsdorf. Seit 1951 erinnert ein Gedenkstein auf dem angrenzenden Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel an die ca. 10.000 Jüdinnen und Juden aus Hamburg, die dem nationalsozialistischen Völkermord zum Opfer fielen. Auf Initiative französischer Überlebender entstand 1953 am Rande des ehemaligen KZ-Geländes in Neuengamme eine erste schlichte Gedenksäule. An ihre Stelle trat 1965 das in einen friedhofsartigen Park eingebettete Mahnmal.

Erst Ende der 1970er Jahre kam es im Zuge der verstärkten öffentlichen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu einer starken Zunahme der Erinnerungszeichen, Denkmale und Gedenkstätten, von denen erstmals auch einige mit Informationselementen und Ausstellungen versehen wurden. Oft waren es Vereine, Geschichtswerkstätten und Verbände, die sich für die Kennzeichnung von Erinnerungsorten einsetzten. Im April 1980 eröffnete die »Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm« eine erste Ausstellung in den Kellerräumen der Schule, in denen im April 1945 zwanzig jüdische Kinder von SS-Männern erhängt worden waren. 1981 wurde auch die KZ-Gedenkstätte Neuengamme um ein Dokumentenhaus ergänzt, das fortan in einer ständigen Ausstellung über das System der Konzentrationslager und die Geschichte des KZ Neuengamme informierte. Mit Hilfe von 3.000 Spenden konnte im Mai 1982 auf dem Rathausmarkt ein neues Heine-Denkmal enthüllt werden, mit dem auch an die Bücherverbrennung und die Zerstörung des Heine-Denkmals durch die Nationalsozialisten erinnert wird. Zur Kenntlichmachung historischer Orte trugen zwei von der Kulturbehörde entwickelte Beschilderungsprogramme bei, die »Stätten der Verfolgung und des Widerstandes 1933-1945« sowie »Stätten jüdischen Lebens« mit Hinweistafeln versahen. Mit beiden Programmen wurden insgesamt über 40 Standorte markiert, die an die Ereignisse der Jahre 1933-1945 und die Zerstörung jüdischer Einrichtungen durch die Nationalsozialisten erinnern. In unauffälliger, aber zugleich nachhaltiger Weise prägt eine weitere, erst in den letzten Jahren in Hamburg realisierte Form von Erinnerungszeichen das Stadtbild, die in den Bürgersteig eingelassenen »Stolpersteine« des Künstlers Gunter Demnig. Inzwischen wurden mit Unterstützung von Patinnen und Paten über tausend dieser Stolpersteine verlegt, die vor den früheren Wohnhäusern auf das Schicksal einzelner Deportierter und Ermordeter hinweisen. Zur Gedenkstätte im eigentlichen Sinn wird ein Ort aber erst, wenn auf ein historisches Ereignis in künstlerischer Form mit einem Mahn- oder Denkmal hingewiesen wird oder wenn es durch eine Ausstellung erläutert wird. Ein Wegweiser zu Stätten der Erinnerung an die Jahre 1933-1945 verzeichnet in der 2009 erschienen Neuauflage 75 über die ganze Stadt verteilte Gedenkstätten, die diesen Vorgaben entsprechen. Diese große Zahl dokumentiert nicht nur das Ausmaß von Verfolgung und kriegsbedingtem Leid, sondern zeigt zugleich, dass sich in Hamburg in den letzten drei Jahrzehnten eine thematisch vielschichtige Erinnerungskultur entwickelt hat. Zuvor war lange Zeit verdrängt worden, dass sich innerhalb der Hamburger Stadtgrenzen zwei berüchtigte Konzentrationslager befanden: Das KZ Fuhlsbüttel steht für die Etablierung des nationalsozialistischen Terrors in Norddeutschland, das KZ Neuengamme für die Verbreitung dieses Terrors über weite Teile Europas. Heute erinnern in Fuhlsbüttel und Neuengamme Gedenkstätten mit Ausstellungen und an den meisten Außenlager-Standorten Gedenktafeln an die Verbrechen. Andere Gedenkorte erinnern an die Verfolgung von Jüdinnen und Juden sowie weiterer Opfergruppen, an den Widerstand und an die Folgen der Bombenangriffe. Zwei Lernorte widmen sich schwerpunktmäßig der Aufklärung über die Geschichte der Hamburger Juden, ihrer Ausgrenzung, Enteignung und Verfolgung im »Dritten Reich« und dem jüdischen Leben nach dem Holocaust. Dabei handelt es sich zum einen um die Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule ( Dr. Alberto Jonas-Haus). Zum anderen wurde 1997 die Dauerausstellung »Juden in Hamburg« im Museum für Hamburgische Geschichte eröffnet, die die vierhundertjährige Geschichte der Juden in Altona, Hamburg und Wandsbek zeigt. Neben unzähligen Veranstaltungen, von denen viele zu den Jahrestagen des Novemberpogroms und der Befreiung sowie zu dem seit 1996 eingeführten jährlichen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar stattfinden, gehören zur Hamburger Erinnerungskultur vor allem auch die Begegnungsprogramme mit Zeitzeugen. Bereits 1965 wurde ein Senatsprogramm ins Leben gerufen, das der Kontaktpflege zu den vertriebenen ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern dient. Seither wurden weit über 3.000 Personen, von denen viele in Israel und Übersee leben, in die Stadt eingeladen.

Detlef Garbe