Studentenverbindungen

Die beiden S. an der 1919 gegründeten Universität Hamburg hatten geringe Mitgliederzahlen. Sowohl in der Saxonia als auch in der Kadimah waren meist weniger als 10 Studenten pro Semester aktiv, zuweilen konnte ein regulärer Verbindungsbetrieb nicht aufrechterhalten werden.

Die Saxonia, im Mai 1919 gegründet, war farbentragend und gab unbedingte Genugtuung, war also bereit, Verletzungen ihrer Ehre auch mit Waffen, z. B. in Duellen zu verteidigen. Sie gehörte dem 1896 gegründeten, deutsch-vaterländisch orientierten Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens (KC) an. Ihr Wahlspruch war: »Lewwer duad us Slaav«. Die Mitglieder trugen Farben und Mütze, die zentralen Insignien studentischer Korporationen. Bereits zum Zeitpunkt ihrer Gründung tat sich die Saxonia mit anderen jüdischen Studenten zur Interkorporativen Arbeitsgemeinschaft der jüdischen Studenten zusammen, die sich zum Ziel setzte, »Angriffen auf die Ehre und die Rechte der Juden als Staatsbürger und als Studierende entgegenzutreten«. Zudem beteiligte sich die Saxonia an einem weiteren Bündnis von Einzelpersonen und Gruppen, der Jüdischen Arbeitsgemeinschaft. Sie trat allerdings wieder aus, als die Arbeitsgemeinschaft mit den Zionisten zusammenarbeitete. Das Verbindungsleben bestand im täglichen Fechten, Turnen und regelmäßigen Kneipen. Ihre Mitglieder erhielten Unterricht in jüdischer Geschichte und Religion. Großen Raum nahm bei der Saxonia das erfolglose Bemühen ein, die Anerkennung durch das Ortskartell waffentragender Verbindungen zu erlangen. Im Sommersemester 1923 musste die Saxonia aufgrund von Mitgliedermangel ihren Betrieb einstellen. Ein Hanseatischer Landesverband des KC mit 80 Mitgliedern blieb bestehen und organisierte regelmäßige Zusammenkünfte wie die monatlichen KC-Abende. 1929 wurde ein Stammtisch eingerichtet, bis 1933 bestand die Verbindung als Vereinigung Aktiver KCer fort. Die Einbindung des KC in das gesellschaftliche Leben Hamburgs zeigte sich bei öffentlichen Feiern, Kommersen oder Vortragsabenden, die von jüdischen Honoratioren wie Max Warburg besucht wurden. Zudem nahmen die Mitglieder des KC und des Landesverbandes regelmäßig an Veranstaltungen der Logen ( Logenwesen) und des jüdischen Jugendbundes teil.

Die zionistische Verbindung Kadimah ( Zionismus) im Kartell jüdischer Verbindungen (KJV) wurde ebenfalls im Sommersemester 1919 gegründet und bestand bis 1933. Auch sie hatte mit Mitgliedermangel zu kämpfen. Sie nahm verbindungsstudentische Formen an, trug die Farben Blau-Weiß-Gelb und wählte die Losung »Hilf Dir selbst!«. Fechten fand nicht statt, die körperliche Ausbildung bestand in Turnen und Boxen. Neben geselligen Zusammenkünften wurden Hebräischkurse angeboten. Die Kneipe der Kadimah befand sich im Logenheim in der Hartungstr. 9-11 (92). Im gesellschaftlichen Leben Hamburgs präsentierte sich die Kadimah vor allem durch öffentliche Kommerse, wie zum Beispiel aus Anlass einer Herzl-Gedenkfeier im Jahr 1924. Sie beteiligte sich am nationaljüdischen Jugendausschuss und turnte regelmäßig im Jüdischen Turnverein Bar Kochba ( Sportvereine). Am 19. Juli 1933 wurde die Kadimah auf behördlichen Befehl aufgelöst.

Neben den Studentenverbindungen existierte von 1919 bis 1933 die Vereinigung Jüdischer Akademiker im Bund Jüdischer Akademiker. Der Bund erstrebte die Verbindung von orthodoxem Judentum und moderner Wissenschaft. Er hatte keinen korporativen Charakter und umfasste nur einige hundert Mitglieder, in Hamburg etwa 50 Mitglieder, darunter Joseph Carlebach.

Miriam Rürup