Castro, Familie de

Die ursprünglich aus Spanien stammende Familie de C. (jüdischer Name: Na[h]mias) gehörte zu den ersten iberischen Neuchristen, die sich Ende des 16. Jahrhunderts in Hamburg niederließen. Wie viele ihrer Vorfahren, die als Leibärzte portugiesischer Könige und kirchlicher Würdenträger hohes Ansehen genossen hatten, übten auch die Hamburger de C. den Beruf des Mediziners aus.

Das erste Hamburger Mitglied dieser berühmten Arztfamilie war Rodrigo de C. (David Na[h]mias) (geb. um 1550 Lissabon, gest. 1.2.1627 Hamburg), der vermutlich in Antwerpen zum Judentum zurückkehrte. Gegen 1592 kam er nach Hamburg und eröffnete in der Nähe der Petrikirche seine Praxis, die rasch Anerkennung auch über die Hamburger Landesgrenzen hinaus fand. Er wurde Leibarzt des Königs von Dänemark, des Erzbischofs von Bremen, der Herzöge von Holstein und Mecklenburg, des Landgrafen von Hessen sowie angesehener Hamburger Bürger. Bei der Gründung der Hamburger Bank – nach Venedig und Amsterdam die älteste europäische Girobank – gehörte er zu den ersten Einlegern. Seinen hohen sozialen Status und seinen Anspruch auf Anerkennung belegt der Bericht eines Hamburger Chronisten aus dem Jahr 1611, der schreibt, dass dieser portugiesische Arzt »wie die andern Christendoctoren« selbstbewusst mit Rock, Wollkragen sowie hohem Samthut auftrat. Sein wohl berühmtester Sohn war Benedictus/Benedito de C. (Baruch Na[h]mias) (geb. um 1597 Hamburg, gest. 31.1.1684 ebd.). Nach dem Besuch des Akademischen Gymnasiums in Hamburg begann er ein Medizinstudium an der Universität Franeker, das er 1624 mit der Promotion abschloss. Wenig später ließ er sich als praktischer Arzt in Hamburg nieder, wo er bald in hohem Ansehen stand. Trotz oder gerade wegen seiner großen Erfolge wurde de C. immer wieder von seinen christlichen Kollegen und der lutherischen Geistlichkeit in Hamburg verleumdet. Auf diese Angriffe antwortete er 1631 mit der apologetischen Schrift Flagellum calumniantium, die er unter dem Pseudonym Philotheo Castello veröffentlichte. 1652 unterzeichnete de C. die Gründungsvereinbarung der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde Bet Israel. Zwei Jahre später wurde er in den Vorstand gewählt und bekleidete später weitere Ehrenämter. 1666 gehörte er zu den aktivsten Anhängern des selbsternannten Messias Sabbatai Zwi. In seinen letzten Lebensjahren geriet er in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so dass er sich genötigt sah, seine bedeutende Bibliothek zu verkaufen.

Michael Studemund-Halévy