Jugendbewegung

Die J. entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts und wurde vorwiegend von der bürgerlichen Jugend der Großstädte getragen. Auf der Basis neoromantischer und kulturkritischer Vorstellungen postulierten junge Männer die Rückkehr zum einfachen Leben in selbstbestimmter Freiheit, Naturverbundenheit und Authentizität.

Diese Werte konnten auch antisemitische Positionen beinhalten, so dass schon vor dem Ersten Weltkrieg viele, wenn auch nicht alle Gruppen jüdische Jungen und Mädchen ausschlossen. Die jüdische J. verdankte ihre Existenz aber nicht nur dem Antisemitismus der nichtjüdischen Bünde, sondern zumindest anfangs auch gezielten jugendpflegerischen Maßnahmen der verschiedenen Interessengruppen innerhalb der Gemeinden. Beflügelt vom jugendbewegten Zeitgeist befreiten sich die meisten rasch aus dieser ungeliebten Umarmung und bildeten eigene, relativ autonome Gruppen, die jedoch die konkurrierenden weltanschaulichen Positionen der deutsch-jüdischen Erwachsenenwelt widerspiegelten. Dies galt auch für Hamburg, wo der erste Jugendverein, der Israelitische Jugendbund, schon 1896 gegründet worden war und sich 1909 in Jüdischer Jugendbund umbenannte. Seit 1906 nahm der Verein Mädchen auf, vor dem Ersten Weltkrieg hatte er 300 bis 400 Mitglieder. Sowohl der Jugendbund als auch die vor 1914 gegründeten, kleineren orthodoxen und zionistischen Jugendvereine waren im Wesentlichen Institutionen der gemeindlichen Jugendpflege, was sich nicht zuletzt darin zeigte, dass Streitigkeiten untereinander durch die Intervention der Erwachsenen beigelegt wurden. Diese waren in Hamburg jedoch selten, hier scheint das Toleranzmodell der Hamburger Gemeindeverfassung ( DIG) sehr wirkungsmächtig gewesen zu sein. Neutralität und Pluralität waren bis 1914 die von allen anerkannten Grundsätze der gemeindlichen Jugendarbeit. Dies änderte sich langsam mit dem Erstarken des zionistisch ausgerichteten Blau-Weiss ( Zionismus), dessen Hamburger Ortsgruppe 1914 gegründet wurde und der der erste genuin jugendbewegte Bund in der Hansestadt war. Nach dem Krieg entwickelte sich die zionistische J. zur einflussreichsten Gruppierung in Hamburg, deren Leben jedoch ebenso von Spaltungen, Wieder- oder Neuvereinigungen geprägt war wie das des Gesamtbundes auf Reichsebene. Seit Mitte der zwanziger Jahre wiesen die lokalen zionistischen Jugendgruppen einen dezidiert sozialistischen und vom Pioniergeist getragenen Charakter auf. Daneben existierten weiterhin verschiedene orthodoxe und liberale Jugendgruppen, die gemeinsam im Landesauschuss der jüdischen Jugendorganisationen ca. 1.500 Hamburger Jugendliche vertraten. Die Gemeinde ihrerseits bemühte sich erfolgreich, die Jugendlichen zu integrieren, und stellte ihnen ab 1929 im Gemeindehaus sowie ab 1931 auch im Landjugendheim Räume zur Verfügung. Im Gegenzug arbeiteten Vertreter des Landesausschusses im Jugendamt der Gemeinde mit. Ende der zwanziger Jahre kann somit für Hamburg von einer autonomen jüdischen J. kaum mehr die Rede sein. Im Jahre 1936 wurden alle nichtzionistischen, zwei Jahre später auch die zionistischen Jugendgruppen verboten; einzig der auf Auswanderung hin orientierte Hechaluz konnte noch bis September 1939 legal, aber unter strengster Gestapo-Aufsicht weiterexistieren.

Stefanie Schüler-Springorum