Lippmann, Leo

Jurist und Gemeindevorsteher, geb. 26.5. 1881 Hamburg, gest. 10./11.6.1943 Hamburg

L. stammte aus einem liberal-jüdischen Elternhaus. Sein Vater, Joseph Behr Lippmann, war 1870 aus Franken nach Hamburg gekommen und hier als Kaufmann tätig. L. besuchte zuerst das Realgymnasium, anschließend die Gelehrtenschule des Johanneums, an der er 1899 die Reifeprüfung bestand. Von Jugend an stand er dem religiösen Judentum fern, doch bekannte er sich zeitlebens zu seiner jüdischen Abstammung, sodass er die Taufe niemals in Erwägung zog. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Doktorat, Referendariat und Assessorexamen übertrug ihm die Hansestadt 1906 ein neu geschaffenes Referat in der Finanzdeputation. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde 1915 für die Lebensmittelversorgung Hamburgs ein Kriegsversorgungsamt aufgebaut, für dessen Verwaltungssystem L. als erster Referent die Grundlagen schuf. 1920 ernannte ihn der Senat der Stadt zum Senatssekretär. Als Staatsrat kehrte L. in die Finanzdeputation zurück, in der er bis 1933 den Aufbau einer einheitlichen und effizienten Steuerverwaltung betrieb. Im März 1933 forderte der neue Bürgermeister Krogmann (NSDAP) L. auf, unverzüglich ein Urlaubsgesuch einzureichen. Die Entlassung wurde später auf das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom April 1933 gestützt. In dem Bewusstsein, dass für ihn eine Rückkehr in den Staatsdienst undenkbar war, ließ sich L. im November 1935 in den Vorstand der Deutsch-Israelitischen Gemeinde wählen, wo er das Finanzressort übernahm. L.s Engagement erwies sich als ein Glücksfall für die Gemeinde, deren defizitären Haushalt er durch konsequente Reformen binnen kurzem zu sanieren verstand. 1937 übertrug die Gemeinde ihm das Amt eines Stellvertretenden Vorsitzenden. Eine mögliche Emigration lehnte er für sich und seine Frau ab. Nachdem die Gestapo der Gemeindeleitung am 10. Juni 1943 eröffnet hatte, die noch verbliebenen Juden würden in wenigen Tagen nach Theresienstadt deportiert werden, schied L. zusammen mit seiner Frau durch Freitod aus dem Leben.

Ina Lorenz