Das jüdische Hamburg

Vorwort der Herausgeber

Seit über 400 Jahren sind Jüdinnen und Juden im Hamburger Raum ansässig und an der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Gestaltung der Stadt beteiligt. Mit dem Prozess der rechtlichen Gleichstellung, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seinen Abschluss fand und eine Ära weitgehender, aber  nicht vollständiger gesellschaftlicher Integration der Juden einleitete, wurden Kultusgemeinden und einzelne Persönlichkeiten auch zu einem Teil der bürgerlichen Gesellschaft in Hamburg. Begleitet wurde diese Entwicklung allerdings von einem wachsenden Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft,  den das nationalsozialistische Regime ab 1933 in staatliche Politik umsetzte. Diese Politik zerstörte die jüdische Gemeinde in Hamburg. Fast alle jüdischen Hamburgerinnen und Hamburger mussten entweder ins Ausland flüchten oder wurden Opfer der deutschen Mordmaschinerie. Und dennoch markiert der Holocaust keinen Schlusspunkt jüdischer Existenz in der Hansestadt. Nach Kriegsende dauerte es nur wenige Wochen, bis sich Hamburger, die die Verfolgungen überlebt hatten, zusammenfanden, um die zerstörte Gemeinde wieder aufzubauen. Heute hat die gewachsene Jüdische Gemeinde ihr Domizil wieder mitten in der Stadt bezogen, in der ehemaligen Talmud-Tora-Schule im Grindelviertel.

Mag die Tatsache kontinuierlicher jüdischer Präsenz durch Jahrhunderte hinweg an sich schon bemerkenswert sein, so weist doch gerade die Hamburger Geschichte Besonderheiten auf: Juden in Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg bildeten bis zur Eingemeindung der Städte durch das Großhamburggesetz von 1937 jeweils eigenständige jüdische Gemeinden, die aber stets vielfältige Beziehungen untereinander wie auch zu den in Hamburg wohnenden Juden unterhielten. Darüber hinaus lebten in Norddeutschland nicht nur Aschkenasen, also Juden mittel- oder osteuropäischer Herkunft, sondern auch sefardische Juden spanisch-portugiesischen Ursprungs. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburgs die größte in Deutschland. Seit 1868 gewährleistete die auf dem Gedanken der Toleranz aufgebaute Verfassung der Gemeinde, dass sich sowohl die Orthodoxie als auch das Reformjudentum jeweils eigenständig unter dem Dach der Gemeinde organisierten. Dieses so genannte ‚Hamburger System‘ war einzigartig in Deutschland.

Aus Anlass des vierzigjährigen Bestehens des Institutes für die Geschichte der deutschen Juden stellten wir im Mai 2006 ein Nachschlagewerk zur jüdischen Seite der Hansestadt vor. Damit wollten wir dazu beitragen, das Wissen über das jüdische Hamburg, seine Geschichte, seine Persönlichkeiten und wichtigsten Organisationen, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Frühjahr 2010 präsentieren wir dieses Werk nun in Form einer eigenen Internetseite im World Wide Web, die zusätzliche Funktionen, wie etwa Suchmöglichkeiten oder eine Bildergalerie, bietet. Wir hoffen, dass wir damit eine noch größere Öffentlichkeit erreichen können – eben: world wide.

Wir danken den Autorinnen und Autoren für Ihre Bereitschaft, Ihre Texte zu überarbeiten und für die Präsentation im Netz zur Verfügung zu stellen, ebenso den Einrichtungen, die uns erlaubten, Bilder aus ihren Beständen hier zu zeigen. Besonderer Dank aber geht an die Behörde für Wissenschaft und Forschung und an die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung für ihre großzügige Unterstützung dieses Projektes. Schließlich bedanken wir uns auch beim Wallstein-Verlag, der die Internet-Publikation des Werkes genehmigte.

Im Jahre 2006 hatten wir der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass das Buch die gemeinschaftliche Verpflichtung von Stadtstaat, Wissenschaft und Öffentlichkeit dokumentiert, die Geschichte der Hamburger Jüdinnen und Juden als Teil der Stadtgeschichte zu erforschen und zu erinnern. Diese Zuversicht begleitet auch die neue Ausgabe im World Wide Web.

Stefanie Schüler-Springorum
Andreas Brämer
Kirsten Heinsohn

Institut für die Geschichte der deutschen Juden