Mischehen / »Mischlinge«

Seit 1849 durften Hamburger Juden eine interkonfessionelle Mischehe (Me.) eingehen, sofern sie das Bürgerrecht erworben hatten.

Ab 1861 bzw. 1865 konnten dann aufgrund der Einführung der Zivilehe auch jüdische Frauen einen nichtjüdischen Partner heiraten. Jüdinnen verloren in Hamburg mit einer interkonfessionellen Heirat ihre Gemeindezugehörigkeit, Juden hingegen wurden nur aus dem orthodoxen Synagogenverband ausgeschlossen, jedoch nicht aus dem Tempelverband oder der Neuen Dammtor Synagoge. 1939/1940, als der NS-Staat Me. nicht mehr nach Konfessionen, sondern nach »Rassen« unterschied, gab es im Deutschen Reich 20.454 Me., in Hamburg lebten 1941 1.036 Me. sowie 198 verwitwete oder geschiedene Personen aus solchen Ehen.

Me., »Mischlinge ersten« wie »zweiten Grades« (»Mi.«) wurden in den ersten beiden Jahren der nationalsozialistischen Machtübernahme unterschiedslos Ziel der antijüdischen Aktionen. 1935 unterschieden die Nürnberger Gesetze zwischen »Voll-« und »Halbjuden«, wobei Letztere später in »Mi. ersten Grades« (nichtjüdische) und »Geltungsjuden« (jüdische) differenziert wurden. »Vierteljuden«, also »Mi. zweiten Grades«, unterlagen nur wenigen diskriminierenden Maßnahmen, während die »Mi. ersten Grades« unter Sondergesetzgebung leben mussten. Die »Mi. ersten Grades« wurden vom öffentlichen Dienst, von medizinischen, künstlerischen, pädagogischen und juristischen Berufen ausgeschlossen (es sei denn, eine Ausnahmegenehmigung erlaubte ihnen die Ausübung), doch sollten sie »Deutschblütigen wirtschaftlich gleichgestellt« sein, d. h., kaufmännische und technische Berufe standen ihnen offen. Universitätsabschlüsse wurden ihnen sukzessive verwehrt, 1942 mussten sie weiterführende staatliche Schulen verlassen; wollten sie heiraten, benötigten sie eine Erlaubnis, die nur in seltensten Fällen erteilt wurde. Außereheliche Verhältnisse zu nichtjüdischen Partnern, nicht per Gesetz verboten, ahndete die Gestapo mit KZ-Einweisung. Zur Wehrmacht wurden »Mi. ersten Grades« zunächst eingezogen, 1940/41 wieder entlassen. Nur bei »besonderer Tapferkeit« durften sie dort verbleiben. Ab Frühjahr 1943/Oktober 1944 wurden sie zur Organisation Todt dienstverpflichtet. Die ca. 1.000 Hamburger »Mi.« und Ehemänner von Jüdinnen konnten – im Unterschied zum sonstigen Deutschen Reich – in der Heimatstadt verbleiben, wo sie vor allem Trümmer räumten und die zerstörte Infrastruktur wiederherstellten.

Die Nürnberger Gesetze verboten die Schließung weiterer Me., änderten für die bestehenden jedoch noch nichts. Im Dezember 1938 dann stellten die NS-Machthaber die Me. besser als »volljüdische« Paare und differenzierten zwischen »privilegierten« und »nichtprivilegierten« Ehepaaren. Als »privilegiert« galten Paare (auch kinderlose), wenn die Frau jüdisch war oder wenn christlich erzogene Kinder vorhanden waren. Diese Familien konnten in ihren Wohnungen verbleiben, das Vermögen auf den nichtjüdischen Teil überschreiben, und der jüdische Partner musste den »Judenstern« nicht tragen. »Nichtprivilegiert« waren Ehen mit einem jüdischen Ehemann, die kinderlos waren, solche mit jüdisch erzogenen Kindern oder solche, deren nichtjüdischer Teil zum Judentum konvertiert war. Sie mussten in »Judenhäuser« ziehen, ihr Vermögen wurde gesperrt, sie wurden bei Auswanderung als jüdisches Paar behandelt. Zwangsarbeit mussten auch in Me. lebende Juden leisten. Auf der Wannsee- und Folgekonferenzen 1942/43 wurde u. a. die Einbeziehung der Me. (Alternative: Zwangsscheidung oder Deportation) und »Mi.« (Zwangssterilisation oder Deportation) in den Judenmord erörtert, eine Entscheidung jedoch »bis Kriegsende« zurückgestellt. Ab Sommer 1942 führte die Auflösung einer Me. zur Deportation ins »Vorzugslager« Theresienstadt, es sei denn, ein minderjähriges Kind war zu versorgen. Ehepaare beider Kategorien erhielten 1942/43 Einweisungen in »Judenhäuser«. Ab Oktober 1944 mussten die nichtjüdischen Ehemänner Zwangsarbeit leisten. Anfang 1945 entfiel der Schutz durch eine Me., und die Deportation nach Theresienstadt wurde verfügt. Obwohl die Besserstellung der Me. nie gesetzlich fixiert wurde und jederzeit durch die Kriminalisierung des jüdischen Partners aufgehoben werden konnte, überlebten viele Betroffene aufgrund dieses Status: Bei Kriegsende gab es noch ca. 12.000 Me. in Deutschland, davon in Hamburg 631.

Beate Meyer