Kohn, Joseph Berkowitz

Kaufmann und Sozialdemokrat, geb. 15.3. 1841 Leczyca, gest. 4.4.1905 Hamburg

K.s Lebenserinnerungen schildern ihn als polnischen Freiheitskämpfer und hamburgischen Sozialdemokraten.

K. wurde in einer alten Festungsstadt in der Nähe von Lodz geboren. Sein Vater war Betreiber eines Kaufhauses, agierte im Gemeindevorstand und im Stadtrat. Da Juden zeitweilig nicht zu den Gymnasien zugelassen wurden, erhielt K. Unterricht bei einem Hauslehrer. K. beteiligte sich am polnischen Aufstand 1863 gegen die zaristische Politik in Russisch-Polen. Nachdem dieser gescheitert war, floh K. nach Westpreußen. 1864 kam er nach Hamburg. Hier verdingte er sich zunächst als Verkäufer von Lotterielosen, dann als Buchhalter. Die Einführung der Gewerbefreiheit in Hamburg ermöglichte ihm, sich als Zulieferer für Schuhmacher selbständig zu machen. Er heiratete 1867 eine aus orthodoxer Altonaer Familie stammende Frau, die ihm elf Kinder gebar. 1873 erwarb er das Bürgerrecht. Seit 1874 engagierte er sich in den Reichstagswahlkämpfen auf sozialdemokratischer Seite. Durch das Sozialistengesetz von 1878 und die damit einsetzende Ausweisung politisch Verdächtiger verlor K. beträchtliche Außenstände; er musste sein Geschäft stark einschränken und in wechselnde kleine Vorstadtwohnungen umziehen. Seit 1886 war K. wieder vielfältig politisch engagiert, so in der Agitation für ein weniger elitäres Bürgerrecht in Hamburg, als Lehrer in Arbeiter-Fortbildungsvereinen, als Kaufmann im sozialistischen Genossenschaftswesen. Er gehörte seit 1900 dem Aufsichtsrat der »Produktion« an und war als Vorsitzender in der Referenten- und Pressekommission der hamburgischen Sozialdemokraten tätig. Als er 1905 beerdigt wurde, beteiligte sich die sozialdemokratische Prominenz mit roter Fahne und roten Kranzschleifen an der rituellen Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf.

Ulrich Bauche