Glückstadt

Das Privileg vom 3. August 1619, mit dem Christian IV. die sefardischen Kaufleute ( Portugiesisch-Jüdische Gemeinden) aus Hamburg und Amsterdam mit ihren internationalen Handelsbeziehungen nach G. holte, garantierte den »Portugiesen« in G. freie Religionsausübung in ihren Häusern, Rechtsautonomie bei Streitigkeiten untereinander, Befreiung von Abgaben sowie uneingeschränkte Handelsfreiheit im dänischen Königreich.

Amsterdamer und Hamburger Portugiesen betrieben in G. alsbald Zuckerraffinerien, Seifen- und Salzsiedereien sowie Ölmühlen, betätigten sich als Reeder und im Überseehandel, handelten mit Textilien und Tabak oder waren wie Moses Josua Henriques mit königlich-dänischem Privileg als Sklavenhändler in Guinea unterwegs. 1620 hatten sich schon 13 Portugiesen in G. niedergelassen, und nur drei Jahre später stellten sie mit 29 Familien 8,1 Prozent aller Haushalte. G. erlebte eine kurze wirtschaftliche Blütezeit, zu einer ernst zu nehmenden wirtschaftlichen Konkurrenz Hamburgs wurde es aber nie. Für die portugiesischen Juden stellte G. allerdings angesichts der von der Hamburger Geistlichkeit geschürten Judenfeindschaft einen attraktiven Zufluchtsort dar. Schon 1622 erhielten sie die Erlaubnis, einen Friedhof anzulegen. Zwischen 1620 und 1650 ließen sich insgesamt 76 Portugiesen als »Neubürger« nieder. Die Portugiesen wohnten in der Kremper Straße, die bis 1623 die Hauptstraße war, am Fleth, in der Portugiesenstraße, später auch am Hafen. Einige erwarben auch Land, zumeist in der Nähe des portugiesischen Friedhofes. 1640 besaßen die zwanzig portugiesischen Familien ca. dreißig Häuser und damit fast 9 Prozent des Gesamthausbestandes. Als die Zahl der Gemeindemitglieder später abnahm, fiel es der kleinen Gemeinde schwer, die bisher gewährten Privilegien aufrechtzuerhalten. Bestärkt in ihrer Eigenständigkeit und finanziell unterstützt aber wurden die Portugiesen in G. immer wieder von der Hamburger (und Amsterdamer) Portugiesengemeinde, die sich damit auch eine mögliche Zufluchtsstätte erhalten wollten. Zwischen 1630 und 1700 wurden die Privilegien zunächst noch beträchtlich erweitert. Sie boten den Portugiesen unter anderem die (teilweise) Befreiung von Einquartierung, Erlaubnis zum Bau einer Synagoge, die Konzession einer Druckerei, die Erlaubnis zum Schiffbau und die Erlaubnis zum Besuch von privaten und öffentlichen Schulen des Landes. 1732 wurde die Verlängerung der Privilegien jedoch verweigert, da keine der alten portugiesischen Familien mehr dort ansässig war. 1772 war die Gemeinde gezwungen, den Hamburger Portugiesen das Eigentumsrecht an Synagoge und Friedhof zuzugestehen, durfte aber beide in Miete behalten. Bei einer Faulfieberepidemie 1783 kam fast ein Drittel der Gemeinde ums Leben. 1785 wurde die Synagoge auf Abbruch verkauft, da zu dieser Zeit keine Portugiesen mehr in G. lebten und sich die Hamburger Muttergemeinde als Rechtsnachfolgerin nicht bereit erklärte, für die notwendigen Restaurierungsarbeiten aufzukommen. Um 1800 zählte die ausschließlich aus Aschkenasim bestehende Gemeinde nur noch 120 Mitglieder, hundert Jahre später lebten nur noch sechs Juden in G.

Michael Studemund-Halévy