Dreigemeinde (AHW, AHU)

Die Altonaer Gemeinde sowie die beiden Doppelgemeinden (Altona-Hamburg und Wandsbek-Hamburg) schlossen sich aufgrund eines Vergleichsurteils des Frankfurter Oberrabbiners von 1669 im Jahr 1671 mit den Hamburger Tudescos (Aschkenasim) zur Dreigemeinde zusammen. (Hebräisch: Schalosch Kehillot AHU. AHU ist das hebräische Akronym der Städtenamen.)

Zur Infrastruktur der Dreigemeinde gehörten mehrere Stubensynagogen (seit 1682/84 dann eine eigene Synagoge (96)), drei Friedhöfe (Altona (100), Wandsbek (119), Ottensen (101)) sowie als Personal ein (Ober-)Rabbiner, ein Schulmeister und ein Synagogendiener. Seit dem großen Privileg von 1641 gab es einen rabbinischen Gerichtshof (Bet Din), der sowohl für Kultus- als auch Zivilsachen sowie Angelegenheiten der Gemeindedisziplin zuständig war ( Rabbinat). Neben dem Oberrabbiner fungierte seit 1671 ein Koordinierungsausschuss aus den Vorstandsgremien der einzelnen Gemeinden. Die Unterstellung Hamburger Juden unter die Gerichtsbarkeit des dem dänischen König unterstehenden Altonaer Oberrabbiners führte in der Folgezeit immer wieder zu Konflikten mit den Hamburger Behörden. Das Niederlassungsrecht hing von der Zulassung der jüdischen Gemeindevorstände ab, die den guten Ruf sowie das (hinreichende) Vermögen des Bewerbers überprüften. Das Gemeindewahlrecht hing vom Vermögen des einzelnen Juden ab. Die Einschätzung des Vermögens der Gemeindemitglieder, nach der sich die Höhe der Abgaben richtete, wurde alle drei Jahre durch gewählte Taxatoren vorgenommen. Der Vorstand war den Behörden gegenüber für die Ablieferung der den Juden auferlegten (Sonder-)Steuern zuständig. Einflussreich und prestigeträchtig waren freiwillige Sozialorganisationen, allen voran die Beerdigungsbruderschaft (Chevra Kadischa). Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde eine Kommission gebildet, die die Gemeindestatuten auszuarbeiten und sie in der Folgezeit den sich ändernden Gegebenheiten anzupassen hatte. Die Statuten bezogen sich auf die unterschiedlichsten religiösen wie weltlichen Bereiche des Gemeindelebens. Der von Altona-Hamburg um 1750 ausgehende Amulettenstreit führte zu einer Schwächung traditioneller jüdischer Strukturen und Institutionen sowie unter den Altonaer Oberrabbinern zu einer strikten Ablehnung der Aufklärung. Die Neuordnung des Hamburger Armenwesens durch die Patriotische Gesellschaft (1788) beendete durch ein rigides Bettelverbot das traditionelle jüdische Armenwesen. Das Ende der D. kam durch die politische Entwicklung, als Hamburg 1811 dem französischen Kaiserreich zugeordnet wurde. Nun war eine Verbindung mit dem dänischen Altona nicht mehr möglich. Am 26. April 1812 unterzeichneten die Altonaer und Hamburger Vorstandsmitglieder eine »Separationsakte«, die das offizielle Ende der alten D. bedeutete.

Arno Herzig