Gerichtsbarkeit, jüdische
Das jüdische Recht umfasst alle juristischen Bereiche. In der frühen Neuzeit wurde die G. in Mitteleuropa jedoch auf Streitfälle, die zwischen Juden auftraten, eingeschränkt. Ausgenommen davon war die peinliche, also Leib und Leben betreffende Gerichtsbarkeit, die der staatlichen Rechtsprechung vorbehalten wurde. Die G. beschränkte sich auf so genannte Zeremonialangelegenheiten.
In der Regel waren damit das Familienrecht und das innergemeindliche Disziplinarrecht gemeint. Grundsätzlich sah das jüdische Recht zwei Möglichkeiten der Zusammensetzung eines Gerichts vor: ein aus drei Zivilpersonen oder ein aus drei juristisch qualifizierten Rabbinern gebildetes. Beide Formen existierten in Altona. Während in der Gründungsphase der Altonaer Gemeinde wohl der Gemeindevorstand alle Streitfälle verhandelte, wurde die Position der Gemeinderabbiner seit der Mitte des 17. Jahrhunderts gestärkt. Die G. des Gemeindevorstands wurde auf die Fälle beschränkt, die Verstöße gegen die Gemeindedisziplin (Störung des Gottesdienstes, unerlaubtes Fernbleiben von demselben usw.) betrafen. Der Altonaer Oberrabbiner erhielt dagegen mehr Kompetenzen. Mit der Bestätigung der → Privilegien für die Altonaer hochdeutsche Gemeinde 1669 wurde die Zuständigkeit des Altonaer Rabbinatsgerichts (→ Rabbinat) für Familien- und Zivilrecht festgeschrieben. Der Gerichtsbezirk wurde über die → Dreigemeinde AHW (hier jedoch nur diejenigen Personen, die ihren Begräbnisplatz in Altona hatten) hinaus auf alle hochdeutschen Gemeinden im damaligen Schleswig und Holstein ausgedehnt. Obwohl die Vorrangstellung des Altonaer Oberrabbinats von den ihm unterstellten jüdischen Gemeinden immer wieder angegriffen wurde, blieb sie bis zur Abschaffung der Zivilgerichtsbarkeit 1863 bestehen.