Pollini, Bernhard

(auch: Baruch Pohl), Intendant, geb. 16.12. 1838 Köln, gest. 26.11.1897 Hamburg

P., einer der wohl schillerndsten Opernprinzipale des 19. Jahrhunderts, begann seine künstlerische Karriere im Fach Gesang. Nach erfolgreichen Jahren als Impresario der italienischen Oper in Moskau und Petersburg übernahm er 1874 die Direktion des Hamburger Stadttheaters an der Dammtorstraße. P. präsentierte allwöchentlich viermal Oper, zweimal Schauspiel, einmal Operette oder Ballett. Dabei bewies er so viel kaufmännisches Geschick, dass zwei Jahre nach Amtsantritt auch die Leitung des Stadttheaters in Altona in seine Hände gelegt wurde und er zudem den Hamburger Senat bewog, die Pacht zu senken, dem Haus eine Subvention und ihm selbst ein Honorar zu zahlen. 175 Erstaufführungen, davon 51 Uraufführungen, volle Häuser und stattliche Überschüsse – das war die Bilanz, die P. nach 23 Jahren vorweisen konnte. Die tragenden Säulen seines Imperiums waren die Gesangssolisten. Sie lockte P. mit hohen Gagen, das Publikum mit ihren großen Namen. War jeder Auftritt der Stars schon eine Gala par excellence, so geriet der Besuch hochgeschätzter Komponisten, darunter Puccini und Tschaikowsky, zum musikalischen Ereignis für die ganze Stadt, zumal die Künstler ihre Werke selbst dirigierten. Meisterhaft verstand es P., jeden Anlass für Festlichkeiten zu nutzen, und für die Hamburger Gesellschaft gehörte es zum guten Ton, dabei zu sein. Ganz andere Töne freilich vernahm man auf Seiten der Dirigenten. Hans von Bülow klagte 1887 über zu viele Dirigate, ein »abgetriebenes« Orchester und selbstherrliche Gesangssolisten. Ein langes Martyrium durchlitt auch Gustav Mahler, seit 1891 erster Kapellmeister am Haus. Kompromisslos wie Bülow, revoltierte er gegen den »Gewalthaber« P. und dessen »Augiasstall«. Ein Dauerkrieg war die Folge, bis man sich 1897 voneinander trennte, wenige Monate vor P.s Tod.

Barbara Müller-Wesemann